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Gegenwartsarchitektur
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Bahnhof, Platz und Postautohalle, 2008

beim Bahnhof | 7000 Chur/Cuira/Coira
GLASGEWÖLBE UND BETONPLATTEN
Das historische Aufnahmegebäude des Churer Bahnhofs von Hans Bösch
ist seit 1860 dreimal erweitert worden. Eine neuklassizistische
Platzfassade mit Rundbogenöffnungen prägt das Haus. 1985 zeichneten
Robert Obrist und Richard Brosi für das gesamte Bahnhofsgebiet einen
ambitiösen Gestaltungsplan. Sein zentrales Element war – typologisch an
Bahnhofshallen des 19. Jahrhunderts anknüpfend – ein 300 Meter langes
Glasgewölbe über den Gleisen. Die Postautostation ist die erste Etappe
dieses Plans. Schon als Fragment markiert das Dach weithin sichtbar
Churs Mitte. Der 52 Meter weit gespannte Bogen verbindet Alt- und
Neustadt. Das Deck über den Gleisen lässt die Bahnpassagiere
komfortabel auf die Postautos umsteigen. Das Gewölbe ist mit
Verbundsicherheitsglas gedeckt. Wie Speichen erscheinen die Zugbänder
der Druckbogenkonstruktion. Nachts streuen Spiegel das Licht der
Scheinwerfer gleichmässig, und die Halle strahlt als hell erleuchteter
Raum.
Veränderte Bedingungen verhinderten den Weiterbau der gläsernen Halle
über die Gleislandschaft. Nach einigem Hin und Her und erfolgreicher
Intervention des Bündner Heimatschutzes schrieb die Bauherrschaft
einen weiteren Wettbewerb aus. Conradin Clavuot fand die städtebaulich
und räumlich richtige Lösung für den Bahnhofplatz: Lang gestreckt bleibt
er in seiner ganzen Ausdehnung offen. Zwei spitzwinklige Geschäfts und
Wohnhäuser ergänzen die Bauten an seinem Rand. Die Haltestellen der
Arosabahn und des Churer Stadtbusses bestimmen das Platzleben. Die
Architektur des neuen Annexgebäudes und der schützenden Dächer auf
dem Bahnhofplatz setz die langen Perrondächer des Gleisfeldes fort. Der
Neubau führt die schmale, lang gezogene Bauform des alten
Aufnahmegebäudes weiter, kehrt aber die Tektonik des alten Baus um.
Die flachen Betondächer sind massive, schwere Platten, gleichfarbig
verputzt wie die historischen Fassaden und exakt auf die Gesimshöhen
abgestimmt; und im Gegensatz zu den muralen tragenden Wänden des
Altbaus erscheint die Metall-Glas-Fassade transparent und leicht. Die
Fenster stossen sperrig wie Vitrinen hervor und bilden Nischen mit
hölzernen Sitzbänken. Dieses Prinzip, konstruktive Elemente mit
weiteren Funktionen zu überlagern, benutzen zum Beispiel auch die
runden Betonstützen der Unterführung. Ihre pilzförmig verputzten
Deckenfelder sind auch Lampenständer. Die Unterführung erschliesst die
Perrons und dient als zentrale Fussgängerverbindung zwischen den
Stadtteilen. Im neuen Aufnahmegebäude schafft eine Halle mit Galerien
grosszügig Raum. Ein Fehler ist, dass die Bauherrschaft die Anlage nicht
aus einem Guss gestalten liess. So tritt man von der zurückhaltenden,
dem Material vertrauenden Anmutung eines Architekten in die
grellfarbige Unterführung des anderen.
(Bauen in Graubünden, Verlag Hochparterre und Bündner Heimatschutz,
Zürich 2006)

Bauingenieur
Edy Toscano, Chur/Zürich;
Hegland und Partner, Chur;
Ove Arup & Partners, London

Bauherrschaft
Schweizerische PTT, Zürich

Verfahren
Wettbewerb

Anlagekosten
CHF 25 Mio.