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Barockkirchen
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Katholische Kirche S. Maria Assunta*

7742 Poschiavo
Schönster Barockbau des Puschlavs, in malerischer, ehemalig völlig freier Lage südlich ausserhalb des Dorfkerns.

Erwähnt 1286; Chor neu erbaut 1692, Schiff und Seitenkapellen 1708–09, Chor wegen schlechter Fundamentierung erneuert 1711; Restauriert 1939–40, aussen 1979–80.

Die Kirche steht auf einer künstlich vorgezogenen, über eine zweiläufige Treppe erschlossenen Terrasse, unter welcher die ehemalige Hauptstrasse nach Le Prese durchführt. Die Anlage aus drei quadratischen Raumeinheiten mit Seitenkapellen wirkt dank dem dominierenden Vierungstambour wie ein Zentralbau. Südlich des flachgeschlossenen Chors Sakristei, nördlicher Turm mit achtseitigem Aufsatz und Haube. Aussengliederung durch Lisenen und Traufbänder, die Giebelfassade von Pilastern grosser Ordnung flankiert; rund um den oktogonalen Tambour mit Zeltdach und Laterne über dem Vierungskubus sechzehn Muschelnischen.

Festlicher Innenraum. Tonnengewölbtes Schiff, überkuppelte Vierung und kreuzgratgewölbter Chor. Illusionistisches Kuppelgemälde 1719 von Giuseppe Brina (Prina), darstellend die Himmelfahrt Mariä mit der heiligen Dreifaltigkeit und Engelchören; in den Kartuschen der Scheinarchitektur vier Szenen aus dem Alten Testament, die durch Beischriften aus der Lauretanischen Litanei als Typologie auf Maria gekennzeichnet sind: Mardochai führt Esther in das Haus des Königs Ahasver, Rebecca am Brunnen, Esther vor König Ahasver, Judith enthauptet Holofernes. Hochaltar mit tempelartigem Aufbau, laut Inschrift 1720 von Giovanni Battista Parino. Hinter dem Choraltar Gemälde Himmelfahrt Mariä 1652 von Carlo Marni; Wandbilder Himmelfahrt Christi und Mariä, Pfingsten und Verklärung 2. Hälfte 17. Jahrhundert.

In der nördlichen Seitenkapelle Ensemble von Stuckaturen und Altar um 1712–30: Altar mit atlantenartigen Halbfiguren, aufgelösten Giebelvoluten und Mengotti-Wappen auf dem Architrav, der Mittelteil zeigt unter Glas ein Kruzifix des 17. Jahrhunderts vor gemalter Gruppe; an den Seitenwänden der Kapelle Porträts der beiden Bauherren Giovanni Antonio und Francesco Mengotti. An der Rückwand der Südkapelle Stuckdekoration um 1700 aus Voluten und hängenden Tüchern; an den Wänden in Stuckrahmen Wandbilder, darstellend den zwölfjährigen Jesus im Tempel und Josephs Zweifel; Holzretabel um 1720 mit geschraubten Säulen und geschnitztem Giebel, Altargemälde der Vermählung Mariä mit den Wappen Massella und Gaudenzi um 1709–1716 von Francesco Piatti.

Rechteckige Kanzel, hervorragendes Renaissancewerk eines wohl Veltlinischen Meisters 1634, aus der Stiftskirche: architektonisch gegliederter Korpus, in den Muschelnischen Figuren der heiligen Jakobus, Hieronymus, Petrus, Nikolaus, Viktor, Martin (?) und Sixtus; plastisch ornamentale Schnitzereien; Schalldeckel wegen Raummangels deponiert. In der rechten Nische des 1. Jochs Beichtstühle mit Orgelempore wohl um 1720 von Parino. Votivbilder 17.–18. Jahrhundert.

(Kunstführer durch die Schweiz, Hg. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Band 2, Bern 2005)

Literatur
Ludmila Seifert-Uherkovich: Architekturrundgang Poschiavo. Bündner Heimatschutz, Chur 2003. Bestellungen über info@heimatschutz-gr.ch