Graubünden - Culture of Construction

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The Late Gothic Period
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Reformierte Pfarrkirche St. Martin

Martinsplatz | 7000 Chur/Cuira/Coira
Die nach der Kathedrale älteste Pfarrkirche Churs ist die grösste spätgotische Anlage Graubündens; nach 1524 Ausgangsort der Reformation in Graubünden. Erwähnt 796 als königl. Eigenkirche, 958 an das Bistum übergegangen. Bei der Teilausgrabung 1917 Nachweis einer karoling. Saalkirche wohl 2. H. 8. Jh., mit drei hufeisenförmigen Apsiden, in der Breite des heutigen Hauptschiffs.

Nach dem Stadtbrand von 1464 Verlängerung um ein Joch nach O und Neubau des Chors von Meister Steffan Klain, vollendet 1473, Einwölbung des Schiffs 1491; das Seitenschiff an der N-Seite entstand aus der Vereinigung einzelner älterer Raumkompartimente und wurde durch Arkaden mit dem Hauptschiff verbunden, deren einheitliches Erscheinungsbild jedoch erst 1917–18 geschaffen wurde. Der spätgot. Turmbau bis um 1535. Renov. 1917–18 durch Schäfer & Risch, gleichzeitig neue Vorhalle, neue Fenster an der S-Wand des Schiffs, neues S-Fenster im Chor, neue Emporenbrüstungen und neuer Turmabschluss mit Spitzhelm; Rest. 1989–90. Vierjochiges Hauptschiff mit nördl. Seitenschiff, polygonaler Chor. Der Aussenbau zeigt an der S-Seite des Langhauses karoling. Blendarkaden und eine bei der jüngsten Rest. freigelegte karoling. Fensteröffnung (vermauert) sowie spätgot. Strebepfeiler, am Chor dreieckige Streben. Turm an der N-Seite des Schiffs mit sternförmigem Rippengewölbe im ursprüngl. offenen Durchgang des EG; an der W-Front des Turms spätgot. Relief um 1490 des hl. Martin zu Pferd, Werkstatt des Jakob Russ.

Das Netzgewölbe des Langhauses ruht auf keilförmig vorspringenden Wandvorlagen mit Diensten, Baumeisterinschrift und Datum 1491 an der Chorbogenwand; das Sternrippengewölbe im Chor auf Wanddiensten dat. 1473; die verschiedenartigen Gewölbeformen im Nebenschiff spiegeln deren unterschiedl. Entstehungszeit. An den Chorfenstern sowie den drei spätgot., nachträglich nach unten verlängerten Fenstern des Seitenschiffs originales Masswerk; das an den Seiteneingang angrenzende Spitzbogenfenster M. 19. Jh. An der N-Seite des Chors Eingang zur ehem. Sakristei (heute Taufzimmer) mit Kragsturzbogen. Emporen im N und W 17. Jh.; Brüstungen erneuert 1917. Drei farbige Glasfenster 1918/19 von Augusto Giacometti; Glasfenster im Chor um 1890. Holzkanzel 1558, 1917 aus der Mitte des Schiffs an den heutigen Standort rechts des Choreingangs versetzt; Taufstein 1685. Reste eines bedeutenden Chorgestühls aus der Werkstatt des Jakob Russ um 1490–1500, figürliche Verzierungen an den Sitzknäufen und Figuren an den Wangen. Orgel 1868 von Kuhn & Speich, 1917 von der W-Empore in den Chor versetzt, rest. 1992.

(Kunstführer durch die Schweiz, Hg. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Band 2, Bern 2005)

Literatur
Die evangelische Pfarrkirche St. Martin in Chur, Schweizerische Kunstführer GSK, Nr. 573, Bern 1995.